In Neugraben eröffnet eine Beratungsstelle, die auch im Landkreis und in Lüneburg aktiv ist. Der Bedarf ist groß.

Quelle: Von Axel Tiedemann Hamburger Abendblatt, 15.11.2021

Neugraben. Rechnungen können nicht bezahlt werden, neue Mahnungen liegen bereits im Briefkasten, die Rate fürs Handy wird fällig und dann geht auch noch die Waschmaschine kaputt: Wer erst einmal in eine Überschuldungsfalle geraten ist, findet alleine oft nur schwer heraus. In Hamburg gibt es daher anerkannte und oft gemeinnützige Anbieter, die im Auftrag der Stadt eine professionelle Schuldnerberatung leisten. Für einkommensschwache Haushalte ist sie meist sogar kostenlos. Nach einer öffentlichen Ausschreibung für den Bezirk Harburg hat jetzt auch der Verein „Schuldenhilfe Sofort“ einen solchen Zuschlag erhalten und eine neue Beratungsstelle in Neugraben am Stremelkamp 13 eröffnet. Sie ist als anerkannte und geförderte Stelle die zweite ihrer Art im Bezirk und die einzige im Stadtteil Neugraben-Fischbek.

Thorsten Schmidt und Daniela de Mattheis von dem Verein „Schuldenhilfe Sofort“ vor ihrem neuen Büro in Neugraben am Stremelkamp 13 Foto: Axel Tiedemann / AT

Anders als in vielen anderen Schuldner-Beratungsstellen in Hamburg gibt es dort jedoch keine lange Wartezeit für einen Termin zum Erstgespräch, jedenfalls bisher noch nicht. „Uns kennen hier noch wenige, noch haben wir daher Kapazitäten und viele im Stadtteil wissen vielleicht auch gar nicht, dass es für sie eine kostenlose Beratung geben würde“, sagt die stellvertretende Vorsitzende des Vereins Daniela De Matteis.

Die studierte Diplompädagogin hat den Verein 2014 gemeinsam mit einem Wirtschaftsprüfer in Lüneburg gegründet. Zuvor hatte sie ein Jugendhotel auf der griechischen Insel Paros geleitet. Als ihr Sohn schulpflichtig wurde, ging sie zurück nach Deutschland. „Ich wollte dann etwas Soziales machen“, sagt sie. Ein Stammgast und Anwalt, der bereits als Student auf Paros war, arbeitete in der Schuldnerberatung, sie hospitierte dort und gründete schließlich den Verein, für den heute der frühe Gast und Anwalt tätig ist, aber auch Steuerberater, Bankkaufleute und eben Pädagogen.

Neben Lüneburg und Hamburg hat der Verein auch in Buchholz und Winsen Beratungsstellen und arbeitet dort mit dem Landkreis zusammen, wie De Matteis sagt. Wobei bereits jetzt Unterschiede zu Neugraben auffallen, die Armut vieler Haushalte sei hier ausgeprägter, oft seien in den Familien zudem viele Kinder betroffen. „Die Ratsuchenden haben hier weniger, während in Buchholz auch schon einmal ein Haus im Spiel ist“, hat die Beraterin festgestellt. Und die Zahl der Gläubiger sei bei vielen überschuldeten Familien in Süderelbe meist auffallend hoch: Stromschulden, Handy-Kosten, GEZ, Bußgeldforderungen, vielleicht sogar eine Steuernachzahlung und Ratenkäufe im Versandhandel – nicht selten komme da vieles zusammen. Schnell summieren sich die Schulden dann auf 20.000, 30.000 Euro, wissen die Schuldnerberater. Manchmal auch viel mehr.

Doch mit schmalem Gehalt oder Hartz IV lässt sich dieser Berg bald nicht mehr abtragen. Pfändungen drohen, man weiß nicht mehr, wie die Miete zu zahlen ist. Die Spirale dreht sich weiter. „Schulden machen krank“, weiß De Matteis. Nach einer ersten, wenn gewünscht auch anonymen Kontaktaufnahme, vereinbart der Verein zunächst einen Termin zur Erstberatung. ,,Der typische Ablauf sieht dann so aus, dass der Berater sich zunächst einen Überblick verschafft, denn den haben die meisten in dieser Situation total verloren“, sagt De Matteis. Dann werden mit Hilfe des Beraters die Briefe und Schreiben erst einmal sortiert, bei der Schufa angefragt, ob weitere, vergessene Schulden vorhanden sind. Und wenn eine Pfändung droht, helfen die Berater bei der Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos, um ein Existenzminimum abzusichern. Beispielsweise, damit die Miete weiterbezahlt werden kann.

Schließlich geht es dann in Verhandlungen mit Gläubigern, was ebenfalls von der Schuldnerberatung übernommen wird. „Wir schauen, ob wir Raten anbieten können oder Vergleiche möglich sind “, sagt De Matteis. In etwa Zweidrittel der Fälle bleibt nur die Privatinsolvenz, die durch ein neues Gesetz auf drei Jahre verkürzt ist. In dieser Phase muss ein Schuldner sich aktiv und in Absprache mit einem gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter bemühen, wenigstens einen Teil der Schulden abzutragen. Am Ende der drei Jahre steht dann die Restschuldbefreiung, das heißt der verbliebende Teil der Schulden wird erlassen. „Nach drei Jahren ist es vorbei und man ist wieder schuldenfrei “, sagt De Matteis.

Die Beratung            

Wenn ein Schuldner ein Einkommen innerhalb bestimmter Grenzen hat, ist die Beratung in Hamburg in einer sogenannten geförderten Stelle kostenlos: Sie liegt beispielsweise bei einem Erwachsenen mit zwei Kindern bei einem Monatseinkommen von 2.427 Euro.

Wer darüber liegt, aber nicht mehr als 2.627 Euro verdient, muss bei diesem Beispiel einen Eigenanteil von 180 Euro für die Beratung zahlen.

Für Haushalte mit mehr Einkommen gibt es in Hamburg seit April Zuschussgutscheine von 200 Euro für einen Teil der Beratungskosten. Sie werden von den geförderten Stellen ausgestellt, die weitere Beratung erfolgt dann in der Regel bei anerkannten Stellen.    

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